Totengedenken der DJK Karlsruhe-Ost
am 26. November 2017 um 11:00 Uhr
Clubhaus DJK Karlsruhe-Ost

Liebe Vereinsmitglieder,

ich möchte Euch zu unserer Gedenkfeier ganz herzlich begrüßen und bedanke mich schon jetzt bei Diakon Stefan Baumstark, der ein geistliches Wort sprechen wird und bedanke mich bei Patrick Russ, der unsere Feierstunde musikalisch umrahmt.

Am heutigen Totensonntag, mit dem das Kirchenjahr eine Woche vor Advent schließt, gedenken wir an dieser Stelle traditionell unserer verstorbenen Angehörigen und Freunde. Erstmals 1816, also vor etwas mehr als 200 Jahren, wurde im protestantischen Preußen im Gedenken an die Opfer der Befreiungskriege gegen die napoleonische Vorherrschaft in Europa dieser besondere Feiertag begangen. Die Begriffe Totensonntag oder Ewigkeitssonntag stehen mittlerweile gleichberechtigt nebeneinander, kennzeichnen jedoch unterschiedliche Ansätze: Für den Totensonntag stehen gleichsam Trauer und Schmerz, für den Ewigkeitssonntag die Hoffnung auf die Auferstehung.

Wir haben uns beim Gedenkstein unseres Clubhauses versammelt, um in Liebe und Dankbarkeit der Menschen zu erinnern, die uns in unserem Leben besonders nahe gestanden haben: Familienangehörige, Freunde, Bekannte und Vereinskameraden. Im vergangenen Jahr stand meine Ansprache unter dem Motto „Trostbedürfnis“ verbunden mit der Frage, wofür ist der Trost gut und wo kann ich ihn finden.

(Musikalische Umrahmung durch Patrick Russ)

Dieses Jahr möchte ich einige Gedanken zum veränderten Umgang mit dem Tod und dem Wandel der Erinnerungsorte mit Euch teilen. Wenn wir uns heute mit den täglichen Nachrichten umgeben, so ist der Tod allgegenwärtig auf der Welt: Kriege, Attentate – auch in Deutschland – sind unsere Begleiter geworden und mal ehrlich, wer erinnert sich noch an schreckliche Verbrechen, wenn diese mehr als ein Jahr her sind, weil diese schon längst von neuem Grauen überholt worden sind. Und damit nicht genug: Unseren täglichen Mord gib uns heute in den öffentlich-rechtlichen wie privaten Kanälen. Längst haben wir uns daran gewöhnt und suchen nach dem nächsten Krimi – ist doch alles nur gespielt und kaum ein Sechsjähriger, der im Internet nicht schon in die Tiefen der menschlichen Seele eingedrungen ist, ohne zu begreifen, was da eigentlich abgeht.

Der Tod ist also allgegenwärtig in einer sich immer schneller drehenden Welt auf der Schwelle hin zur Digitalisierung und die Überforderung vieler, sich heute zurecht zu finden, wächst beständig an. Für die Beschäftigung mit der eigenen Sterblichkeit und dem für uns alle unausweichlichen Ende bleibt keine Zeit. Das ist auf eine gewisse Weise sogar natürlich, da wir nicht wissen wann und wie der Tod eintreten wird, würde dieses Fragen möglicherweise unsere Lebensqualität beeinflussen. Einzig die Tatsache, dass der Tod eintreten wird, ist uns allen sicher, der Umgang mit ihm hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert.

Die Soziologen Thorsten Benkel und Matthias Meitzler beschreiben dies unter anderem wie folgt: „Unsere Gesellschaft verändert sich, also verändert sich auch ihr Friedhof“. Der größte Umbruch ist die Individualisierung. In der Gesellschaft ist sie (die Individualisierung) die Folge des Aufbruchs von Grenzen, wodurch Berufs- und Lebenswege nicht mehr streng vorgegeben sind und die Selbstbestimmung des Einzelnen zentral ist. Individualisierung der Grabstätten bedeutet daher, sich nicht mehr im Kollektiv und in einer Glaubensgemeinschaft einzuordnen. Stattdessen stehen nun der Einzelne und sein Leben im Vordergrund. So lösen Musiknoten, Gitarren, Angeln, PKWs und Motorräder inzwischen religiöse Motive ab. „Leidenschaften und Passionen auf Gräbern abzubilden, ist in Großstädten eigentlich schon fast obligatorisch. Auf Gräbern finden sich Alltagsgegenstände des Verstorbenen oder Sinnsprüche, die nur Eingeweihte kennen; etwa ein Lebensmotto oder ein manchmal rätselhafter und kryptischer Spruch, den nur ganz bestimmte Vertraute einordnen können“, so Thorsten Benkel.

Auch das Trauern ändert sich und geht mit neuen, im Zuge der Digitalisierung aufgetauchten Ausdrucksmöglichkeiten einher: Trauervideos werden auf Youtube hochgeladen, Facebook-Profile der Toten lebendig gehalten, Kerzen auf virtuellen Trauerportalen angezündet und QR-Codes in Grabsteine graviert. Matthias Meitzler sagt: „Wichtig ist, dass es heute eine Pluralisierung der Trauer gibt: Man kann sie verschieden ausdrücken. Das sieht man auch auf dem Friedhof sehr gut: Es gibt immer noch Personen, die wöchentlich oder täglich auf dem Friedhof sind. Aber es gibt eben auch diejenigen, die sagen, der Friedhof hat für mich als Ort der Trauer keine Bedeutung. Für mich ist Trauer ganz woanders – im Fotoalbum, zu Hause, im Internet oder im Kopf.“

(Ansprache zum Totengedenken vor dem Clubhaus)

Es ist inzwischen aber auch erwiesen, dass die in Großstädten vielerorts geübte Praxis der bewussten anonymen Bestattung für viele Hinterbliebene im Nachhinein sich als Irrtum herausgestellt hat. War man ursprünglich der Ansicht, dass ein Erinnern an eine bestimmte Person sich in erster Linie im Kopf abspielt, so hat dies nach einer gewissen Zeit nicht mehr ausgereicht. Gefehlt hat eben doch der feste Platz mit dem Namen des oder der Verstorbenen auf einer Platte oder einem Kreuz. Jetzt war es wieder möglich geworden mit den Verstorbenen zu kommunizieren, jetzt machen Blumenstrauß und Kerze wieder Sinn. In dieser ausdrücklichen Symbolik zeigt sich die Nähe der Lebenden zu den Toten. Es ist eben wichtig, einen Ort zu haben, der sich außerhalb unseres Alltagsumfeldes befindet, einen Ort der ganz und gar den Hinterbliebenen und ihrer Trauer und Erinnerung gehört.

Wahrscheinlich verliert der Tod nicht seinen Schrecken, wenn wir uns bewusst werden, was in diesem Moment passiert, aber vielleicht hat es etwas tröstliches darüber hinaus. Der Theologe und Religionslehrer Peter van Briel führt hierzu aus: „Im Alten Testament ist die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod sehr uneinheitlich. Da gab es einerseits die Vorstellung, dass eine unsterbliche Seele der Einzigartigkeit Gottes Konkurrenz machen könnte. Deswegen war man in der Formulierung sehr vorsichtig und hat, wenn überhaupt, von einem „Schattendasein nach dem Tod“ gesprochen oder von einem „Versammeln zu den Vätern“. Doch erst im Neuen Testament gibt es klare Aussagen über das Jenseits. Nicht nur in der Predigt Jesu, sondern vor allem an seinem Beispiel wird klar: Als er stirbt, trennen sich Leib und Seele, die dann in der Auferstehung wieder zusammenkommen. So wunderbar verwandelt erscheint er dann den Jüngern. Das ist nicht nur Kern unseres Evangeliums, sondern auch unserer Botschaft über das Leben nach dem Tod.

In diesem Sinne ist uns Christen bewusst, dass bei der Auferstehung vor dem Jüngsten Gericht auch unsere im Tod vom Leib getrennte Seele wiedervereint wird. In der Gewissheit, dass es bis dahin einen festen Ort gibt, u. a. den Gedenkstein vor unserem Clubhaus, wo wir mit den verstorbenen Vereinskameraden und Freunden kommunizieren können und sei es nur für einen Augenblick Stille zu halten, wollen wir uns unserer eigenen Sterblichkeit bewusst werden. Gleichzeitig sind wir dankbar für das bisher Erreichte.

Der November mit seinen Feiertagen Allerheiligen, Allerseelen, Volkstrauertag und Totensonntag fordert uns einiges ab und der Tod ist gegenwärtig. Der Theologe Manfred Becker-Huberti bemerkt hierzu: „Wenn ich der Depression den Eintritt in mein Seelenleben verbiete, aber die Melancholie einlasse, diese süße Lust an der Traurigkeit, kann ich der dunklen Jahresphase Positives abgewinnen. Man kann seinen Gedanken nachhängen, von Gestern und von Morgen träumen. Mit Kerzen und Kuscheldecke, alternativ tut es auch ein gutes Glas Rotwein – geht das besonders gut. Wir müssen Muße erst wieder neu entdecken, weil uns stets die Handys den Weg versperren“.

Wenn wir uns heute hier beim Gedenkstein am Clubhaus versammelt haben, so hat dieser Ort zunächst etwas symbolisches, aber auch etwas sehr reales. Wir alle wissen, dass dieser Ort nicht der Ort ist an dem sich die Toten aufhalten, aber insbesondere für die verstorbenen Vereinskameraden ein besonderer ist. Wer bedenkt, dass alles was um das Vereinsgelände herum entstanden ist, von Menschen Hand errichtet wurde und von vielen Menschen, die heute nicht mehr bei uns sind, dann haben die Toten des Vereins auch hier einen realen Ort gefunden, an dem sie mit uns kommunizieren. Und wenn wir in der DJK-Gemeinschaft Trost anlässlich des Verlustes von Angehörigen und Freunden hier erfahren haben, dann hat dieser Ort über den Sport- und Spielbetrieb hinaus eine besondere Bedeutung. Als Trostsuchender wurde mir noch nicht mein Leid genommen, aber der Zuspruch anderer, das Vermitteln von Vertrauen und Zuversicht tat meiner Seele gut.

(Geistliches Wort durch Diakon Stefan Baumstark von St. Bernhard)

Die Toten sind uns vorausgegangen. Vielleicht warten sie auf uns. Sie sind vermutlich nicht in der Lage, uns hier und jetzt zu helfen. Die Zeitfüllung gehört nicht zu ihren Aufgaben. Aber trösten können sie. Wer weiß, die Zeit der Erfüllung steht womöglich noch aus.

Auch in diesem Jahr mussten wir wieder von Bekannten, Verwandten und Freunden Abschied nehmen. In erster Linie sind natürlich zuerst die engsten Angehörigen und Verwandten von Trauer und Schmerz ergriffen und es braucht Zeit, diese Trauer zu verarbeiten, um sie überwinden zu können. Immer wieder helfen hierbei Gebete für die Verstorbenen, wie diese bereits bei den frühen Christen überliefert sind. Doch oftmals kann nicht sofort der Glaube an eine Wiederauferstehung über den ersten Schmerz hinweghelfen. Wer aber seinen Schmerz mit anderen teilen kann und wer von diesen anderen in einer Gemeinschaft aufgefangen wird, wird Trost und Zuversicht in die Zukunft gewinnen.

Seit dem ersten Totengedenken an dieser Stelle vor über 40 Jahren haben viele von Euch, die Ihr an dieser heutigen Gedenkveranstaltung teilnehmt, Vereinskameraden und -kameradinnen verloren, die Euch und uns über Jahre und Jahrzehnte begleitet haben. Doch für Christen sind die Gräber von Angehörigen nicht allein Stätten des Trauerns und des Erinnerns, sondern Orte der Hoffnung auf das ewige Leben.

In diesem Jahr erinnern wir insbesondere an:
Carmen Sommer * 1943 , † 9. Februar 2017
Lasst uns einen Moment innehalten.

Wir gedenken heute all jener Menschen, die wir im familiären Kreis, im Kreise von Verwandten, Freunden, Vereinskameraden durch Tod verloren haben. Wir trauern mit allen, die Leid tragen um die Toten. Wir erinnern an sie und lassen sie damit weiter teilhaben an unserer Gemeinschaft.

Bernd Breitkopf, 1. Vorsitzender